Gedenken via Zoom April 2021
Im zweiten Jahr der Corona-Pandemie haben zwei Überlebende, Nachfahren weiterer Überlebender, Vertreter der WMF und der Stadt Geislingen mit der Initiative „erinnern – ehren – versöhnen“ der Befreiung der Opfer des KZ-Geislingen am 29. April 1945 gedacht.
Am Donnerstag, den 29. April gab es ein historisches Zoom-Meeting anlässlich des Jahrestages der Befreiung der mehr als 800 jüdischen Frauen und Mädchen, die während der Zeit des Nationalsozialismus von 1944 – 1945 im KZ-Außenlager in Geislingen Zwangsarbeit bei der WMF verrichten mussten.
Wir freuten uns sehr, dass tatsächlich noch 2 Überlebende dabei waren: Lenka Weksberg aus Toronto, die im November 2015 bereits zu einem Besuch in Geislingen war, und jetzt konnten wir sogar ihre jüngste Schwester Rosalie (89) kennenlernen, die uns ihre bewegende Geschichte der Rettung aus Auschwitz erzählte. Außerdem nahm eine weitere Schwester Lenkas, Rose, mit ihrer Tochter Renee an dem Treffen teil.
Dr. Michael Simon, Sohn von Hildegard Lustig, aus Michigan, USA, (er hatte im Januar einen Brief an die Geislinger geschrieben, den wir in der GZ veröffentlicht hatten) war ebenso mit dabei, wie die Familien Sobol und Rieger, Nachfahren von Miryam Sobel, die gemeinsam 2015 kurz vor Miryams Tod in Geislingen bei dem Schweigemarsch und der Gedenkzeremonie in der Jahnhalle teilgenommen hatten. Zuletzt waren sie bei der Einweihung der Gedenkstätte am Radweg Richtung Eybach in Geislingen.
Außerdem konnten wir Familie Zissman, Tochter und Enkel von Helen Jeckel sowie Gitta Mann und ihre Tochter begrüßen. Auch sie waren bereits in Geislingen und haben zuletzt 2018 vor den Schülerinnen und Schülern des Michelberg-Gymnasiums gesprochen. Veranstaltet und organisiert wurde das virtuelle Treffen von der Initiative „erinnern – ehren – versöhnen“ vertreten durch Rosemarie und Hermann Schneider, Eva Kerner und Matthias Lotz.
Die Stadt Geislingen wurde von Oberbürgermeister Frank Dehmer repräsentiert. Ein Meilenstein in der Aufarbeitung der Geschichte war sicher auch die Teilnahme der WMF. Für die WMF Geschäftsführung waren Frau Dr. Leiterholt und die Leiterin der Kommunikationsabteilung Corinna Lägeler mit dabei.
Es war ein bewegender Moment, als Oberbürgermeister Dehmer das Treffen mit einer Erklärung darüber eröffnete, was Erinnern, Ehren und Versöhnen für Geislingen bedeutet und wie wichtig ihm die persönlichen Begegnungen mit den Überlebenden und ihren Nachkommen sind.
Im Anschluss gab Frau Dr. Leiterholt eine Stellungnahme für die WMF ab, in der sich die WMF zu ihrer Verantwortung in Vergangenheit und Gegenwart bekannte. Die dunkle Geschichte der WMF würde immer ein Kapitel der WMF bleiben und solle nicht wegdiskutiert werden. Jedoch sei heute das Erinnern, Ehren und Versöhnen ihr Ziel. Gerade letzte Woche seien die Lampen auf dem Parkplatz vor der WMF erneuert worden, so dass nun immer ein Licht auf die Namenstafel mit allen Namen der jüdischen Zwangsarbeiterinnen scheine. Sie sind in Kreisen angebracht, welches auch symbolische Bedeutung habe.
Überraschend war, mit wieviel Offenheit und Vertrauen die Familienangehörigen über ihren Umgang mit der Judenverfolgung erzählten und wie stark das Erleben ihrer Mütter, Großmütter oder Tanten ihren Alltag heute noch auf unterschiedlichste Weise prägt. Für Michael Simon war dieses Treffen ein einzigartiges Erlebnis, das viel tiefer ging als ein bloßes Wiedersehenstreffen einer Abschlussklasse.
Der Höhepunkt war sicherlich, dass Rosalie Simon von ihrer Zeit in Auschwitz und Geislingen erzählte. Sie war erst 12 Jahre alt, als sie nach Auschwitz kam. Dr. Mengele, der berüchtigte Arzt der Nazis, sortierte die Gefangenen in zwei Reihen. Die einen wurden selektiert zum Arbeiten z.B. nach Geislingen und die anderen mussten in die Gaskammer, um qualvoll ermordet zu werden. Ihre vier großen Schwestern durften leben und sie sollte in der Gaskammer sterben. Sie schrie vor Verzweiflung und ihre Schwestern kämpften um sie. Sie rannten hin und holten sie aus der Todesreihe wieder heraus. Am Ende gelang es, dass Rosalie auf den Transport mit nach Geislingen kam. Ihre Gebete waren erhört worden und nun konnten wir sie sogar persönlich kennenlernen.
Malka Zissman unterstrich, dass das, was im Holocaust definitiv fehlte, die Ehre gewesen sei und wie nun das gegenseitige Ehren hilft, eine bessere Welt zu schaffen. Als sie 2015 das erste Mal nach Geislingen kam, wusste sie nicht, was sie erwarten sollte, aber nun weiß sie, wie sich Versöhnung anfühlt.